Messe Magazin

Wie alles begann: Der Stadtbrief von 1165 als „Geburtsurkunde“ der Leipziger Messen

Ein Pergament veränderte alles: Im Jahr 1165 verlieh Markgraf Otto von Meißen Leipzig mit dem Stadt- auch das Marktrecht und verbot Konkurrenzmärkte im Umland. Der Stadtbrief markiert den Anfang von 860 Jahren Messegeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Wenn heute auf der Leipziger Messe Tausende Besucher durch moderne Hallen strömen, ahnt kaum jemand: Der Grundstein für das bunte Messegeschehen wurde vor 860 Jahren gelegt. Im Jahr 1165 besiegelte ein mächtiger Mann die Zukunft Leipzigs in einem kurzen Dokument, das heute als Stadtbrief von Otto dem Reichen bekannt ist.

Ein Schriftstück, das Geschichte schrieb

Die Urkunde ist ungefähr so groß wie DIN A5 und trägt ein Reitersiegel, das kurioserweise auf dem Kopf steht. Wichtiger als jenes Detail ist jedoch der Inhalt des Dokuments. Otto bestätigte Leipzig darin nicht nur das Stadtrecht und damit das Recht, einen Markt abzuhalten. Er versprach auch, die neuen Bürger von Abgaben weitgehend zu verschonen. Nur im absoluten Notfall, etwa bei einem Kriegszug über die Alpen, durfte eine geringe Abgabe erhoben werden.

Ein besonders schlauer Schachzug: Otto verbot Konkurrenzveranstaltungen im Umkreis von einer Meile rund um die Stadt, was vermutlich einem Radius von 7,5 Kilometern entsprach. Dieser Schutzbereich, die sogenannte Bannmeile, sicherte Leipzig einen entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil. Auch wenn in der Urkunde noch nicht ausdrücklich das Wort „Messe“ fiel: Sie gilt als die Geburtsstunde des Leipziger Handelsplatzes.

Fotografie eines Leipziger Stadtbriefes mit Stadtsiegel, ausgestellt 1156 bis 1170.
Bildnachweis: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig/Inv.-Nr. F/X/3

Der Stadtbrief selbst ist nicht datiert. Er entstand vermutlich erst zwischen 1170 und 1216. Trotzdem gilt seit den 1950er-Jahren offiziell 1165 als das Jahr, in dem Leipzig das Marktrecht erhielt. Warum? Weil die Stadt spätestens seit diesem Zeitpunkt nachweislich als Handelsplatz wuchs.

Ein Standort mit strategischem Vorteil

Leipzig hatte damals einen unschlagbaren Vorteil: die Lage an der Kreuzung zweier wichtiger europäischer Handelsstraßen, der Via Imperii und der Via Regia. Die Via Imperii verband Rom mit der Ostsee. Die Via Regia zog sich von der iberischen Atlantikküste bis nach Kiew und Moskau. 

 

Wer von Süd nach Nord oder von West nach Ost wollte, kam unweigerlich nach Leipzig. Die Kreuzung war ein Magnet für Händler. Sie brachten Waren, Ideen und Nachrichten in die Stadt und schnell wuchsen die Märkte. Der Stadtbrief wiederum schuf einen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen und ebnete so den Weg, dass Leipzig sich zu einem bedeutenden Umschlagplatz entwickeln konnte.

Von der Messe zum Jahrmarkt zur Messe

Im Mittelalter fielen Jahrmärkte und Messen oft zusammen. Kaufleute reisten von weither an und boten ihre Waren rund um die Kirchen an – meistens nach der christlichen Messe. Daher auch der Name „missa“. Ursprünglich bezeichnete das lateinische Wort den Moment, in dem der Priester die Gemeinde nach dem Gottesdienst mit „Ite, missa est“ (dt. „Geht hin, es ist die Aussendung“) entließ. Im Anschluss sammelten sich Gläubige und Händler an den Marktständen vor den Kirchentoren. So kam es, dass der einst rein kirchliche Begriff nach und nach zum Synonym für das Marktgeschehen wurde.

Blick auf den Nikolaikirchhof mit Markständen, Händlern und Käufern. Um 1850.
Bildnachweis: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv.-Nr. 2130

Was vom Stadtbrief geblieben ist

Heute ist Leipzig ein globaler Messestandort und die Leipziger Messe ein international agierendes Unternehmen. Geblieben ist die Idee, die Otto der Reiche einst auf Pergament bannte: Schutz, Förderung und Freiheit für Handel und Wandel.

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