Ende Januar war Felix auf Pressereise in den diesjährigen Buchmesse-Gastländern Niederlande und Flandern unterwegs. Im Interview erzählt er, wohlgemerkt bei einer Tasse Tee, über literarisches Speed-Dating, Grachtenspaziergänge in Amsterdam und die Geheimnisse belgischen Trappistenbiers.
Ich versuche mir gerade vorzustellen, ich müsste drei Tage beinahe rund um die Uhr mit zehn Journalistinnen und Journalisten verbringen. Puh, ist das nicht wahnsinnig anstrengend?
(Lacht laut). Zugegeben, ich bin schon eher der Typ, der am Abend auch mal seine Ruhe haben will. Aber drei Tage halte ich das gut aus. Abgesehen davon, jagte ein Programmpunkt den nächsten und die Tage flogen nur so vorbei.
Warum laden die Gastländer, die ja ihren Auftritt auf der Leipziger Buchmesse selbst organisieren, zu so einer Pressereise?
Die Niederlande: ein Land voll Tulpen, Käse, Windmühlen, Menschen in Holzschuhen und orangenen Fußball-Trikots – richtig, Felix?
(grinst) Auf keinen Fall. Da geht es um viel mehr. Ich habe in beiden Regionen eine unglaublich junge und dynamische Schriftsteller-Szene kennengelernt, die keine Angst hat, die harten politischen und gesellschaftlichen Themen anzupacken. Sie wollen zeigen, dass die Niederlande sicher NICHT das Land eines Geert Wilders und seiner rechten Partei der Freiheit sind, auch wenn die im November die Parlamentswahlen gewonnen haben. Die Literatur in den Niederlanden steht definitiv für Diversität und Menschenrechte und gegen den Rechtspopulismus im eigenen Land.
Welche Themenschwerpunkte setzen die niederländischen und flämischen Autorinnen und Autoren gerade?
Wie gesagt: Politische und gesellschaftliche Geschichten des eigenen Landes aber auch anderer Regionen sind stark vertreten. Etliche Neuerscheinungen drehen sich aber auch um allgemeine Fragen zu Klimawandel, Geschlechteridentität, Kolonialismus oder Feminismus. Besonders im Fokus dieses Jahr: Die Kinder- und Jugendliteratur der Niederlande und Flanderns.
Konnte dich ein bestimmtes Buch dabei besonders überzeugen?
Mich hat besonders der Roman Trophäe von Gaea Schoeters überrascht. Darin bekommt ein Großwildjäger die Möglichkeit, seine Big Five zu vervollständigen. So nennt man die Jagd auf die fünf Tierarten Elefant, Nashorn, Kaffernbüffel, Löwe und Leopard. Als diesem angeboten wird, auf Big Six – also auch noch die Jagd auf einen Menschen – zu erhöhen, eskaliert die ganze Sache. Schoeters stellt dabei die Frage in den Mittelpunkt, was ein Menschenleben wert ist. Spannend, intensiv, detailreich … wirklich großartig.
Was stand denn so auf dem Programm oder viel mehr welches Format hat dich am meisten abgeholt?
Das war ganz klar das Speed-Dating am zweiten Tag. Dabei hatten alle Pressevertreter die Möglichkeit, sich jeweils 20 Minuten allein mit einer Autorin oder einem Autor an einem Tisch zu unterhalten. Alle hatten im Vorfeld Ausschnitte der sechs Übersetzungen der Neuerscheinungen bekommen und konnten sich so relativ gut auf die Gespräche vorbereiten. Das hat unglaublich Spaß gemacht und war sehr intensiv. In 20 Minuten die Quintessenz eines Buches von den Autorinnen und Autoren selbst präsentiert zu bekommen, ist ein wahnsinnig intensives Erlebnis. Meistens saßen sogar die Übersetzerinnen und Übersetzer daneben.
Welches Format ist dir noch im Gedächtnis geblieben?
Interessant fand ich auch die Poetry Booth.
Klingt mystisch. Was steckt da denn dahinter?
Das ist ein Teil der digitalen Literaturwelten, die das Gastland unter der Kategorie Alles außer Literatur vorstellt. Die Poetry Booth ist eine Lyrik-Maschine des VOUW Design Studios aus Amsterdam, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Gedichte schreibt. Der Clou ist, dass die Maschine dafür die Merkmale des Menschen vor der Kamera verarbeitet. Das hat erstaunlich gut funktioniert.
Habt ihr neben dem straffen Zeitplan auch Gelegenheit gehabt, mal abzuschalten?
Ja, morgens sind wir meistens innerhalb der Stadt zum ersten Programmpunkt gelaufen. Das waren immer sehr schöne Spaziergänge, auf denen wir uns entspannt unterhalten und die Stadt ein wenig aufsaugen konnten.
Am Abend haben wir zusammen gegessen und natürlich das ein oder andere Bier probiert.
Wie gefällt dir als Hobby-Bierbrauer Belgien?
Extrem gut! Vor allem mag ich die belgischen Trappistenbiere. Das sind hochprozentige Biere, die traditionell von Trappistenmönchen in Klöstern gebraut werden. Der Erlös geht dann entweder in den Erhalt der Klosteranlagen oder wird für soziale und wohltätige Zwecke verwendet. Die meisten dieser Trappistenbiere werden in Belgien gebraut. Da bin ich natürlich auf meine Kosten gekommen.
Konntest du der Presse dein Wissen über belgisches Bier näherbringen?
(Lacht.) Ja, einige waren sehr interessiert und wir haben, meist zum Abendessen, die ein oder andere Verkostung gemacht.
Mit welchem Bild würdest du die Reise zusammenfassen?
Für mich war diese Pressereise eine Fahrt im Schnellzug durch die niederländische und flämische Literaturlandschaft. Und um bei diesem Bild zu bleiben: In jedem Bahnhof haben wir in unglaublicher Intensität die spannende literarische Vielfalt beider Regionen kennengelernt. Der Umgang mit den Journalistinnen und Journalisten war sehr kollegial. Ich glaube alle hatten ihren Spaß und haben sehr viel gelernt auf dieser Reise.
Ich war vorher noch nie in den Niederlanden oder in Belgien, werde aber auf jeden Fall wiederkommen. Amsterdam und seine Grachten haben es mir angetan. Da will ich alsbald mal zusammen mit meiner Frau hin.
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, kann bei der Leipziger Buchmesse 2024 vom 21. bis 24. März zahlreiche Autorinnen und Autoren aus den Niederlanden und Flandern in einem vielfältigen Programm live erleben.